Außerdem hat mich die weite Entfernung zu Deutschland gereizt.
Ich war in Montclair, New Jersey, USA – der Ort gehört zu den Vorortgebieten von New York City. Wo die eine Stadt aufhört, fängt direkt die nächste Stadt an, ohne Landstraßen oder Dörfer. Ansonsten ähnelt es meiner Heimatstadt, es gibt Sportvereine, Kirchen, Parks, gute Busverbindungen, öffentliche Veranstaltungen usw. Doch erstmal musste ich umfangreiche Bewerbungsunterlagen an die Agentur geben, die sich an für mich passende Familien geschickt hat. Die Familien haben mich telefonisch kontaktiert.
Gelandet bin ich bei einer Familie mit zwei Kindern, Sossi war sechs und Armen drei Jahre alt. Die Mutter war armenischer Abstammung, der Vater aus Irland. Wir haben also auch armenische Feiertage gefeiert, das Essen war nicht typisch US-Fast food, sondern oft irische oder armenische Küche. Der Vater hat bis sehr lange abends in New York bei einer Beratungsfirma gearbeitet, die Mutter hat einen Telearbeitsplatz zu Hause gehabt. Die Familie hat mich immer unterstützt und mich als richtiges Familienmitglied behandelt, ich bin mit in Urlaub gefahren und war mit auf Familienfeiern.
Der Alltag begann für mich um 7:30 Uhr mit dem Abräumen des Frühstückstisches. Dann wurde Sossi zur Schule oder zum Schulbus gebracht. Anschließend bin ich mit Armen zum Kindergarten gegangen. Alle paar Wochen musste ich einen Vormittag die Kinder im Kindergarten begleiten, vorlesen, singen oder auf dem Spielplatz aufpassen. Der Rückweg mittags dauerte meist etwas länger, da wir an jeder Baustelle oder jedem Fahrzeug, was in irgendeiner Weise mit Bauarbeitern in Verbindung gebracht wurde, stehen bleiben mussten. Nach dem Mittagessen und dem Mittagsschlaf ging es am Nachmittag meist wieder zur gleichen Baustelle, auch wenn den Bauarbeitern nur bei der Pause zugeschaut wurde. Nachmittags kam dann Sossi von der Schule, meist sehr hungrig, so dass wir Bagel zubereitet haben. Danach haben wir draußen oder im Park gespielt, dann aber auch schon wieder Hausaufgaben gemacht. Armen musste natürlich gleichzeitig auch beschäftigt werden, was aber mit den tausenden Baggerspielzeugen recht einfach war. An einigen Tagen wurde Sossi zum Schwimmtraining gebracht, an anderen bin ich mit Armen zu seinem Spielkameraden gefahren. Meistens hat die Mutter zu Hause in ihrem Büro gearbeitet, die Kinder mussten also von ihr ferngehalten werden. In bestimmten Situation hat es allerdings auch geholfen das sie zu Hause war, so dass wir uns jeder einem Kind widmen konnten. Um 17:00 Uhr war mein Arbeitstag vorbei und ich völlig erschöpft. Ich habe manchmal mit der Familie zusammen Abend gegessen, oder bin direkt zum Sportverein, zur Abendschule oder zum Treffen mit anderen Aupairs gefahren.
Das schwierigste an meiner Zeit als Au Pair war die Eingewöhnungsphase, in der die Kinder beide noch dem alten Au Pair hinterher trauerten. Es machte es auch nicht einfacher, dass ich den gleichen Vornamen wie das ehemalige Au Pair hatte, in Gesprächen wurde also unser Vor- und Nachname benutzt, damit die Kinder unterscheiden konnten, über wen gerade gesprochen wird. Besonders den kleinen Armen hat der Wechsel sehr durcheinander gebracht, er ließ sich nicht von mir an die Hand nehmen und hat in seiner Wut auch mal gebissen. So war mein schönstes Erlebnis dann auch der Tag an dem Armen endlich Vertrauen gezeigt hat: Wir waren gerade am Spielen mit Baggerfahrzeugen, Radladern und Co. und ich sollte mich auf den Wohnzimmerteppich legen. Armen hat sich einfach auf meinen Bauch gelegt und hat sich dort ausgeruht. Nach der schwierigen Anfangsphase mit ihm war das sehr schön.
Das schönste an den USA waren die Größe des Landes und die unterschiedlichen Landschaften. Ich habe jedes Wochenende New York City und die Umgebung in New Jersey erkundet. In den Urlauben bin ich dann aber an den Lake Michigan im Norden oder nach Miami im Süden gereist. Am Ende meines Aufenthaltes bin ich bei einer Tour von New York nach Los Angeles mitgefahren. Es gab eine Führerin und ca. 10 Mitreisende in einem Kleinbus. Wir konnten spontan entscheiden wie weit wir fahren oder wo wir einen Tag länger eine Stadt besichtigen möchten. Gemeinsam mit einer Mitreisenden bin ich noch weiter noch San Franzisko gereist. Im Nachhinein würde ich sogar noch mehr reisen, wobei das zeitlich glaub ich gar nicht möglich gewesen wäre.
Auch für mich persönlich habe ich viel mitgenommen, z.B. bin ich durch den Aufenthalt auf jeden Fall selbständig geworden. Bisher nur bei Mama gelebt und plötzlich war man auf sich allein gestellt und hatte noch für zwei Kinder zu sorgen. Der Tag musste organisiert werden: einkaufen, Essen vorbereiten, Wäsche waschen, Nachmittagsbeschäftigung. Außerdem die Erkenntnis, dass es sehr anstrengend ist, Kinder zu erziehen. Auch meine Englischkenntnisse sind für mich ein wichtiger Gewinn. Sie helfen mir beruflich weiter, da die Konversation mit den Partnern weltweit auf English läuft. Sich getraut zu haben, 1 Jahr so weit weg von zu Hause zu leben, hilft mir auch bei anderen Entscheidungen. In dem Jahr als Au Pair musste ich auf Fremde zugehen, mir auf mich gestellt Hilfe und Informationen besorgen.
Im Nachhinein kann ich sagen, dass ich genau den gleichen Schritt noch mal machen würde! Das gleiche Land, die gleiche Familie, der gleiche Ort. Ich würde mit der Erfahrung von jetzt jeden Tag noch mehr genießen und noch mehr Leute vor Ort kennenlernen wollen. Noch mehr vom Land sehen ging in der Zeit zeitlich und finanziell nicht.
Jedem, der überlegt als Au Pair ins Ausland zu gehen, sage ich: Mach es auf jeden Fall, wenn Du es nicht tust, bereust Du es irgendwann. Mitten im Berufsleben überwinden sich die wenigsten, den Job zu kündigen für eine solche Auszeit. Durch den Auslandsaufenthalt schätze ich die Chance auch viel höher ein, später einen Job zu bekommen. Mit ein paar Schwierigkeiten muss man zwar rechnen und davon ausgehen, dass es auch mal sehr anstrengende Zeiten gibt. Aber man kann jeden Tag im Ausland genießen und so viel wie möglich im Land umherreisen!